Hannover, 27. September 2023 - Der Baugewerbe-Verband Niedersachsen und der Bauindustrieverband Niedersachsen-Bremen luden Mitte September zum 1. Niedersächsischen Straßenbautag mit anschließender Fachtagung in den Osnabrücker Ringlokschuppen ein. Die Veranstaltungen standen unter dem Zeichen der Nachhaltigkeit im Straßenbau und der Anwendbarkeit dieser in der Praxis.
Eröffnet wurde das Event von Christian Staub, Präsident des Baugewerbe-Verbandes Niedersachsen, und auch Jens-Peter Zuther, Obermeister Straßenbauer-Innung Osnabrück-Emsland, ließ es sich nicht nehmen, die Anwesenden im Ringlokschuppen zu begrüßen.
Momentan befindet sich diese Osnabrücker Eventlocation noch im Bau, doch „Leuten vom Bau macht es nicht aus, dass sich drinnen und draußen noch alles im Bau befindet“, stellte Zuther fest.
Höhepunkt des ersten Tages war ein Vortrag von Olaf Lies, Niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung, zur „Infrastruktur für die Verkehrswende“. Vertieft wurde das Ganze schließlich in einer Podiumsdiskussion, während der Minister Lies gemeinsam mit Christian Staub, Präsident Baugewerbe-Verband Niedersachsen, dem Osnabrücker Stadtbaurat Frank Otte und Thomas Echterhoff, Präsident Bauindustrieverband Niedersachsen-Bremen, die Fragen von Moderator Dr. Martin Busch beantwortete.
Verfahren beschleunigen und Sanierungsstau beheben
Der Verkehrsminister machte seinem Unmut über die langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren Luft, die insbesondere den Ausbau und den Erhalt der Straßeninfrastruktur stark ausbremsen. Neben knapper werdender Mittel, beeinflussten langwierige Verfahren den Straßenverkehr negativ. Gerade bei technischen Bauwerken wie Brücken, beziehungsweise entsprechende Ersatzbauten, sei es nicht nachzuvollziehen, dass diese vor Baubeginn so viel Zeit kosteten: „Die Brücken brechen uns weg und wir wissen auch heute schon, welche morgen problematisch sind“, sagte er. Allein in Niedersachsen seien 3200 Brücken vor 1985 gebaut worden und statt weiter kontinuierlich am Verschleiß zu leben, sollten die Bauwerke ersetzt werden, bevor sie marode sind. Daher sei es unumgänglich, den Weg zum Ersatzneubau grundlegend zu beschleunigen. Das Wilhelmshavener LNG-Terminal habe gezeigt, dass Schnelligkeit erreicht werden kann, wenn alle Akteure mit einem gemeinsamen Mindset ergebnisorientiert zusammenarbeiten und sich „in das Gelingen verlieben.“ Dem pflichteten seine Gesprächspartner bei. Thomas Echterhoff: „Lassen Sie uns alles beschleunigen, was Ersatzbau ist – und beim Neubau können wir gerne weiterhin kompliziert sein. Ersatzbau sofort! Ohne Diskussionen.“ Er erinnerte in diesem Zusammenhang noch einmal daran, dass es ohne eine intakte Verkehrsinfrastruktur nicht gehe. Und hier spiele insbesondere die Straße die entscheidende Rolle, da 70 Prozent des Güterverkehrs über diese abgewickelt werde.
Nachhaltig Bürokratie abbauen
Diskutiert wurde außerdem die Frage, ob die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Vorschriften Prozesse über Gebühr verlangsamen. Als Beispiel diente die Bewältigung der Folgen der Flutkatastrophe im Ahrtal: Während in Nordrhein-Westfalen die Ersatzbauten standen, fing Rheinland-Pfalz an die Aufträge zu vergeben, berichtete Echterhoff. Christian Staub ging auf Nachfrage des Moderators ebenfalls auf diese Fragestellung ein und sprach die unterschiedlichen Landesbauordnungen an.
Gleichwohl Freund des Föderalismus, konstatierte er „für unser bauliches Handeln ist er eher hinderlich.“ Für Staub ist auch die kürzlich in Kraft getretene Mantelverordnung ein negatives Beispiel für ein Zuviel an Vorschriften. Er nannte die Mantelverordnung, welche die Verwertungswege für mineralische Abfälle regelt, „ein Beispiel unzureichender Politiksteuerung“, und betonte explizit: „Die Bauwirtschaft hat den gesamten Entstehungsprozess der Mantelverordnung über 15 Jahre hinweg begleitet. Nahezu alle Forderungen und Verbesserungsvorschläge, die eine praxistaugliche Umsetzung ermöglicht hätten, wurden jedoch ignoriert.
Wie wir jetzt schon sehen, werfen die komplexen Regelungen viele Fragen auf, die zu zahlreichen Problemen in der Praxis führen. Weder zuständige Behörden noch beratende Ingenieurbüros oder zugelassene Prüfstellen können diese sicher beantworten. Folglich bewegen sie sich Bau- und Recyclingunternehmen in einer rechtlichen Grauzone und sind gezwungen, das Recycling beziehungsweise den Einsatz von RC-Material aufzugeben.“ Ein Trend, der dem nachhaltigen Straßenbau diametral entgegensteht.
Straßenbau ist nachhaltig. Punkt!
Im Verlauf der Tagung wurden aber auch Beispiele gezeigt, wie nachhaltiges Handeln - auch im Straßenbau - möglich ist. Keynote Speaker Andreas Huber hatte es sich zum Ziel gesetzt „Begeisterung für Nachhaltigkeit“ zu wecken. Jörg Finke von der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr ging in seinem Vortrag „Nachhaltigkeit im Straßenbau“ darauf ein, was es braucht, damit von der Planung bis zum Rückbau Nachhaltigkeit gegeben ist.
Prof. Dr. Martin Thieme-Hack widmete sich anschließend dem Thema „Stoffstrom-Management“ und stellte ein an der Hochschule Osnabrück entwickeltes Verfahren vor, das insbesondere den Einsatz von Ersatzbaustoffen geld- und ressourcenschonend möglich macht.
Mit der Feststellung „Straßenbau ist nachhaltig. Punkt!“, beschloss Thomas Echterhoff den ersten Teil der Tagung.
Die Oberbürgermeisterin von Osnabrück, Katharina Pötter, ließ es sich nicht nehmen die Teilnehmer zu begrüßen. Die Location ist Teil eines innovativen neuen Bauprojektes, das Prof. Dr. Felix Osterheider den Anwesenden in einem launigen Vortrag genauer vorstellte. In den nächsten Jahren soll sich das Areal in unmittelbarer Nähe des Osnabrücker Hauptbahnhofes revitalisiert werden und so entscheidende Impulse für die Stadt und die Region Osnabrück geben. Fokus liegt auf Forschung, Lehre und Anwendbarkeit von KI im Einklang mit Menschen und Natur.
Fachvorträge anhand praktischer Beispiele
Unter der Leitung von Jens-Peter Zuther ging die Fachtagung „Nachhaltiger Straßenbau in der Praxis“ in Fachvorträgen auf konkrete Themen wie die „Ersatzbaustoffverordnung“, „VHV-Schadensbericht Tiefbau und Infrastruktur“ oder Projekte wie die „Erste städtische Bodenwiederaufbereitungsanlage“ Osnabrücks ein. Diese konnte anschließend besichtigt werden, um das Gehörte in der praktischen Anwendung zu sehen. Außerdem stand eine Besichtigung des Steinbruchs Piesberg auf dem Programm. Höhepunkt für die Besucher war eine Sprengung, die eindrucksvoll die Gewinnung der Ressource Naturstein zeigte.
Neben den Vorträgen und den Besichtigungen boten beide Tage den Anwesenden auch einen Raum für den fachlichen Austausch. Zwischen den Programmpunkten ließ es sich bestens Netzwerken – nach all‘ den Jahren, in denen Veranstaltungen wie diese nicht möglich waren, schätzten alle Beteiligten diese Plattform sehr.
Der Niedersächsische Straßenbautag und die Fachtagung Nachhaltiger Straßenbau in der Praxis ist aber auch dank der Sponsoren und Unterstützer ein voller Erfolg gewesen.
Der Dank gilt den Sponsoren Boden Management Flüssigboden Osnabrück GmbH, Johannes Bopp GmbH, HKL Baumaschinen GmbH, Nordlohne Digital GmbH, Günther Papenburg AG, Schlüter Baumaschinen GmbH, Werner Seemann GmbH & Co. KG, VHV Allgemeine Versicherung AG, Zertifizierung Bau, Straßenbauer Innung Braunschweig, Straßenbauer-Innung Lüneburg, Straßenbauer-Innung Osnabrück-Emsland sowie der Autobahn GmbH, der Ingenieurkammer Niedersachsen, der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und der Hochschule Osnabrück.