Pressemeldung

Niedersachsen braucht eine absolut leistungsfähige Infrastruktur

Baurundblick: Im Gespräch mit dem baupolitischen Sprecher der CDU-Fraktion Niedersachsen, Christian Frölich MdL

Christian Frölich MdL, Sprecher der CDU-Fraktion Niedersachsen
Christian Frölich MdL, Sprecher der CDU-Fraktion Niedersachsen

Das Land Niedersachsen will durch die Landeswohnungsgesellschaft den Wohnungsbau ankurbeln. Ist aus Ihrer Sicht durch eine Landeswohnungsgesellschaft ein wirksamer Beitrag zur Verbesserung der Wohnraumsituation zu erwarten?

Christian Frölich: Nein. Aus Sicht der CDU-Landtagsfraktion wird die Landeswohnungsgesellschaft den Wohnungsbau in keiner Weise ankurbeln. In ihrem Koalitionsvertrag haben sich SPD und Grüne in Niedersachsen auf die Schaffung von 100.000 neuen Sozialwohnungen geeinigt, davon 40.000 landeseigene. Tatsächlich reichen die 100 Millionen Euro Startkapital im Haushalt 2024 für die Landeswohnungsgesellschaft allenfalls für maximal 1.700 Wohnungen. In den Folgejahren sind bisher keine weiteren Mittel für die Landeswohnungsgesellschaft geplant. Die Landesregierung hat es im ersten Jahr ihrer Amtszeit weder geschafft, die Position des Geschäftsführers zu besetzen, noch ein überzeugendes Konzept für die Gesellschaft vorzulegen und schon gar nicht Personal für die Ausführungsebene zu gewinnen. Wir fragen uns, warum eine Landeswohnungsgesellschaft Projekte beispielsweise in Osnabrück oder Göttingen besser umsetzen soll als ortsansässige Wohnungsgenossenschaften oder sozialorientierte Wohnungsbaugesellschaften. Aus unserer Sicht muss die Landesregierung die regionalen Player in die Lage versetzen, bereits genehmigte Wohnungsbauprojekte, aber aufgrund der zu hohen Baukosten nicht realisierte Projekte, doch umsetzen zu können. Das könnte beispielsweise im Bereich der Finanzierung durch die Gewährung von nachrangigen Darlehn durch die N-Bank und, da wo es sinnvoll ist, mit weiteren Abschreibungsmodellen geschehen. Es droht die Gefahr, dass der Großteil der Steuergelder in Bürokratie und Administration versickert, anstatt diese für ganz direkte Wohnraumförderung zu nutzen. Gleichzeitig muss die Landesregierung Anreize schaffen, um den frei finanzierten Wohnungsbau – soll heißen für die Menschen Wohnraum zu errichten – die eben keinen Wohnberechtigungsschein haben und sich keine erforderliche Kostenmiete bei Neubauten von 17-20 Euro/m² leisten können. Hierzu muss man leider sagen, hat die Landesregierung keine Antworten.


Durch serielles Bauen sollen Wohnbaukosten gesenkt werden. Wo sehen Sie weitere Möglichkeiten zur Kostenreduzierung. Welche Baustandards sind aus Ihrer Sicht überflüssig.

Christian Frölich: Zunächst möchte ich anmerken, dass serielles Bauen nicht der Gamechanger im Wohnungsbau ist. Der Mietwohnungsbau in Deutschland und somit auch in Niedersachsen ist eher durch den privaten Investor geprägt, der hier und da mal ein vier oder sechs Familienhaus als private Altersvorsorge in eine Baulücke baut. Dafür ist serielles Bauen eher ungeeignet, da es doch sehr individuelle Bauvorhaben mit unterschiedlichsten Randbedingungen sind. Um die Vorteile des seriellen Bauens nutzen zu können, benötigen wir großflächige Baulandausweisungen oder den Abbruch von alten Bestandswohnblöcken. Dafür ist das Instrument des seriellen Bauens dann sehr nützlich. Politisch sind gerade von den Grünen große Baulandausweisungen aber aktuell nicht unbedingt gewünscht.
Bezüglich der Baustandards müssen wir uns grundsätzlich fragen, ob wir nicht dazu neigen alles über zu regulieren. Die Kernfrage für mich ist dabei, was ist anerkannte Regel der Technik und was ist Stand der Technik? Wenn wir nur noch den Stand der Technik bauen, ohne zu hinterfragen, ob das Sinn macht, dann kommt letztlich so etwas dabei raus, wie im Schallschutz. Vollkommen überzogene Anforderungen führen dann zu deutlich höheren Baupreisen. Das gilt aber nicht nur beim Schallschutz, sondern auch beim Brandschutz oder durchaus auch im barrierefreien Bauen. Politisch getrieben sind dann auch noch die energetischen Anforderungen im Neubau und im Bereich des Sanierens. Gerade im Hinblick auf die Baukosten macht es keinen Sinn die Standards immer weiter in die Höhe zu treiben. Die Sanierung von Bestandgebäuden mit einem EH70 oder sogar EH100 Standard und der Neubau mit einem EH55 Standard würde zu einer deutlichen Baukostenreduzierung mit gleichzeitiger erforderlicher Energieeinsparung führen. In dem Zusammenhang muss deutlich hinterfragt werden, ob die Erhöhung von energetischen Standards mit dem dadurch erforderlichen Einbau weiterer Technik tatsächlich so nachhaltig ist, wie gewünscht. Wir müssen wieder einfacher und robuster bauen.

Im Sinne der Nachhaltigkeit wird immer wieder gefordert, die Wiederverwendbarkeit und Verwertbarkeit von gebrauchten Baustoffen und mineralischen Bauabfällen zu fördern. Im Straßen- und Tiefbau ist bereits eine hohe Verwertungsquote erreicht. Im Hochbau dagegen liegt die Quote bislang im niedrigen einstelligen Bereich. Was könnte aus Ihrer Sicht getan werden, um auch diese Quote zu erhöhen?

Christian Frölich: Zunächst sei darauf hingewiesen, dass zur Stärkung des Ressourcenschutzes bei Sand, Kies und anderen mineralischen Baustoffen die Ersatzbaustoffverordnung unverzüglich weiterentwickelt werden muss. Sie muss um eine „Abfallende-Verordnung“ ergänzt werden, um die beim Recycling gewonnenen Baumaterialien tatsächlich wiederverwenden zu können. Dies verfolgt dann letztlich das Ziel, Deponieflächen zu schonen und Kosten zu senken. Mineralische Bau- und Abbruchmaterialien, die die Baustelle verlassen, müssen als Wertstoffe und nicht als Abfälle betrachtet werden und die öffentliche Hand muss für ihre eigenen Ausschreibungen verpflichtet werden, RC Material zu verbauen. Die Wiederverwendung von Abbruchmaterial aus dem Hochbau ist etwas differenzierter zu sehen. Hier ist noch einiges an Forschung und Innovation erforderlich. Beim Recyceln von Ziegeln, Kalksandstein und Beton kommt es auf die Qualitätsanforderung der neuen Verwendung an. Die Gewinnung von Recyclinggips ist energetisch aktuell noch aufwendiger als der Abbau von Naturgips, mal abgesehen davon, dass überhaupt die Abbruchmengen vorhanden sind, um tatsächlich die erforderlichen Mengen als Substitut zu erzeugen. Bei Kunststoffen hingegen spricht die Energiebilanz immer für das Recycling. Dies verdeutlicht: hier benötigen wir noch einiges an Innovation, um Deponiekapazitäten zu entlasten.


Wegen seiner Lage in Deutschland und Europa ist Niedersachsen auch ein Transferland. Wo sehen Sie im Hinblick auf den Ausbau und die Ertüchtigung der Verkehrsinfrastruktur hier besonderen Bedarf?

Christian Frölich: Wir sind nicht nur Transferland, sondern wir sind auch Energieland Nummer 1 und landwirtschaftliches Produktionsland Nummer ein. Dies erfordert eine absolut leistungsfähige Infrastruktur. Das beginnt bei den kommunalen Straßen, den Landes- und Bundestraßen sowie den Wasser- und Schifffahrtswegen und endet bei der Schieneninfrastruktur. Und in allen Bereichen haben wir Defizite und es herrscht Mangelverwaltung bzw. wir leben von der Substanz. Politisch müssen hier die Prioritäten neu gesetzt werden. Das heißt nicht nur deutlich mehr Sanierung, sondern – und da ist bei der Koalition ein klarer Riss zu erkennen – auch Neubau im Bereich Autobahnen und Landesstraßen. Des Weiteren ist bei der Reaktivierung von Bahnstrecken als Instrument der Wirtschaftsförderung und der Steigerung der Attraktivität des ÖPNV mehr Tempo auf die Schiene zu bringen.

 

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