Warum ist eine sektorenscharfe Bewertung von Klimaschutzzielen nicht sinnvoll?
Christian Dürr: Im letzten Jahr hat Deutschland seine Klimaziele erreicht, obwohl sie im Verkehrssektor beispielsweise überschritten wurden. Es ist richtig, dass wir jetzt das Klimaschutzgesetz reformieren und endlich anfangen, Klimaschutz ganzheitlich zu betrachten. Für das Klima ist nicht relevant, ob das CO2 aus der Landwirtschaft, dem Stromsektor oder dem Verkehr kommt – entscheidend ist nur, wie viel CO2 ausgestoßen wird.
Welche Rolle spielen die Kosten bei der CO2-Vermeidung?
Christian Dürr: Als Ökonom gehören für mich Ertrag und Kosten zusammen. Weder in der Wirtschaft noch in der Politik kann es darum gehen, einfach ein Ziel zu erreichen. Wir müssen es zu möglichst geringen Kosten erreichen. Das sind wir den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, aber auch den Betrieben schuldig. Und die CO2-Vermeidungskosten gehen bei den verschiedenen politischen Instrumenten extrem weit auseinander. Beim verpflichtenden Einbau einer Wärmepumpe können die Vermeidungskosten je nach Objekt leicht bei Werten von über Tausend Euro pro Tonne CO2 liegen. Derweil kann im EU-Emissionshandel für Energie und Industrie derzeit eine Tonne CO2 noch für rund 90 Euro eingespart werden. Für diese enormen Unterschiede ist das Ordnungsrecht allerdings blind. Deshalb bin ich ein großer Anhänger des Emissionshandels: Er macht die Kosten des Klimaschutzes transparent - und zugleich sorgt er unbestechlich dafür, dass die Einsparung zu den geringstmöglichen Kosten erfolgt. Das kann zusammen mit Technologieoffenheit einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Akzeptanz des Klimaschutzes leisten. Zu lange haben wir viel Geld für wenig Klimaschutz ausgegeben. Das wollen wir umdrehen!
Welche Wünsche und Erwartungen haben Sie an die Bauindustrie?
Christian Dürr: Wir sind auf die Perspektive der Fachexperten dringend angewiesen und freuen uns über eine intensive Debatte. Leider ist es oft nicht genug, politische Entscheidungen hinzunehmen und sich bestmöglich damit zu arrangieren. Es besteht die Gefahr, dass dann weltfremde Vorgaben entstehen, die weder für die Branche noch für die Kunden - und leider auch nicht für den Klimaschutz sinnvoll sind. Ich möchte Sie ausdrücklich ermuntern, den Dialog zu suchen, beispielsweise wenn baupolitische Konzepte nicht sinnvoll umsetzbar sind. Ohne die Expertise aus der Bauindustrie wird es kaum möglich sein, unsere Ziele beim Wohnungsbau und im Klimaschutz zu erreichen.
Ausweislich des Wahlprogramms der FDP soll ein Baukosten-TÜV eingeführt werden. Wie ist hierzu der Sachstand?
Christian Dürr: Nicht nur im Wahlprogramm haben wir einen Baukosten-TÜV gefordert, auch in der Koalition insgesamt haben wir uns auf einen Bau-, Wohnkosten- und Klimacheck verständigt. Die Bundesbauministerin arbeitet zurzeit an der Einrichtung einer unabhängigen Stelle zur Folgekostenabschätzung in Normungsprozessen. Auch das Bündnis bezahlbarer Wohnraum unterstützt das. Wir werden uns das Konzept genau anschauen, denn wichtig ist für uns Transparenz und dass die Baukosten nicht weiter steigen. Wir brauchen künftig frühzeitig Klarheit darüber, wie sich die Baukosten in Abhängigkeit von weiterer Rechtsetzung - übrigens auch auf EU-Ebene - entwickeln können.