Pressemeldung

Bauindustrie-Präsident fordert verlässliche Rahmenbedingungen

Baurundblick: Im Gespräch mit Prof. Dipl.-Ing. Bernd Afflerbach, Geschäftsführender Gesellschafter MATTHÄI Bauunternehmen GmbH & Co KG, Verden

Prof. Dipl.-Ing. Bernd Afflerbach, Geschäftsführender Gesellschafter MATTHÄI Bauunternehmen GmbH & Co. KG, Verden, Präsident des Bauindustrieverbandes Niedersachsen-Bremen
Prof. Dipl.-Ing. Bernd Afflerbach, Geschäftsführender Gesellschafter MATTHÄI Bauunternehmen GmbH & Co. KG, Verden, Präsident des Bauindustrieverbandes Niedersachsen-Bremen

Wie beurteilen Sie die derzeitige baukonjunkturelle Lage?

Trotz schwacher Gesamtkonjunktur entwickeln sich die Auftragseingänge im Wirtschaftsbau positiv, der Absturz im Wohnungsbau geht jedoch ungebremst weiter. Dies als kurzes Fazit des ersten Halbjahres 2024. Der marginale Anstieg im baugewerblichen Umsatz im ersten Halbjahr 2024 um 2,6 Prozent dürfte jedoch nach meiner Ansicht im Wesentlichen auf gestiegene Baupreise und ein gestiegenes Lohnniveau zurückzuführen sein. Wir befinden uns also insgesamt in einer sehr schwierigen Situation.

Wie beurteilen Sie die Situation im Straßen- und Brückenbau in Niedersachsen?

Die Situation im Straßenbau in Niedersachsen ist von verschiedenen Faktoren geprägt, die sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich bringen. Dies hat auch der diesjährige Straßenbautag in Braunschweig sehr gut aufgezeigt. Zum einen haben wir viele Straßen und Brücken in Niedersachsen, die in einem sanierungsbedürftigen Zustand sind. Es besteht erheblicher Bedarf an Investitionen, um die Verkehrsinfrastruktur auf einem modernen und sicheren Niveau zu halten. Zum anderen haben wir das Finanzierungsthema. Es gibt zwar Mittel von Bund und Land, jedoch sind diese nicht ausreichend, um alle notwendigen Projekte zeitnah umzusetzen. Insgesamt ist die Situation im Straßenbau in Niedersachsen komplex und erfordert eine koordinierte Anstrengung von Politik, Verwaltung und der Bauindustrie, um die Herausforderungen zu meistern und die Infrastruktur zukunftsfähig zu gestalten. Allein in Niedersachsen sind 150 Brücken in sehr kritischem Zustand und müssen kurzfristig ersetzt werden. Nach Aussage der Landesregierung Niedersachsens sind zwei Drittel der Brücken für Lasten aus den 50er Jahren bemessen und deshalb „systematisch überlastet“.

Was wünschen Sie sich von der Politik und wie ist der andauernden Investitionsbremse zu begegnen?

An unserer Verkehrsinfrastruktur, den Wohngebäuden oder an den öffentlichen Gebäuden dürfen wir nicht sparen. Wir brauchen einen anhaltenden Investitionshochlauf. Wir erwarten von der Haushalts- und Verkehrspolitik im Land, dass die Investitionen entsprechend der Preisentwicklung angepasst werden. Meiner Meinung nach darf deshalb nicht nur in jährlichen Investitionsbudgets gedacht werden. Es sollte z.B. eine konkrete Anzahl zu sanierender Brücken benannt oder auszubauender Streckenkilometer Straße zur Verfügung gestellt werden. Wir benötigen Planungs- und Investitionssicherheit für die Bauwirtschaft, damit diese mit den vorhandenen Kapazitäten und zukunftsweisenden Technologien und Verfahren die bauliche Umsetzung fortlaufend übernehmen kann. Sinnvoll wäre zudem eine Öffnung der Arbeitszeit und des Arbeitsschutzgesetzes, damit das komplette Tageslicht beim Bau genutzt werden kann. Für Großprojekte wie z.B. den Bau neuer Stromtrassen sind tausende Schwertransporte notwendig. Wir brauchen unbedingt eine Vereinfachung der Verfahren zur Genehmigung der Schwerlasttransporte, um unnötige Verzögerungen zu vermeiden.

Wie sieht es beim Leitungsbau aus?

Der Leitungsbau wird in den nächsten Jahren eine entscheidende Rolle spielen. Beim Thema Energiewende warten immense Herausforderungen an den Ausbau der Leitungsnetze, etwa für Wasserstoff, Ladeinfrastruktur oder Fernwärme. Daneben soll weiter Breitbandausbau betrieben werden und das vorhandene Netz Instand gehalten werden. Bei der Energiewende sollten die politischen Entscheider beachten, dass qualifizierte Unternehmen zum Einsatz kommen. Anders als beim Breitbandausbau, bei dem sich Auftraggeber leider oft für wenig qualifizierte Firmen entscheiden, geht es bei der Verlegung und dem Anschluss von Gas-, Fernwärme- und Stromnetzen um Tätigkeiten, die nur von Fachunternehmen erledigt werden können. Von großer Bedeutung ist auch die kommunale Wärmeplanung. Diese ist allerdings nur unverbindlich, sodass weder Qualität noch Quantität der Ortsnetze vorhergesagt werden können. Einerseits müssen die Versorgungsunternehmen verlässlich planen können, andererseits gilt dies auch für die Bauunternehmen, die Kapazitäten bereitstellen müssen.

Es ist damit zu rechnen, dass Leitungsschäden bei Tiefbauarbeiten zunehmen werden. Wie bewerten Sie die Initiative Niedersachsens zur Einführung eines bundesweiten Leitungskatasters?

Die Schäden im Bereich des Tiefbaus werden in Zukunft leider wohl zunehmen. Wir fordern hier, die Betreiber der Netze verstärkt in die Pflicht zu nehmen, wenn diese nicht normgerechte Verlegeverfahren verwenden oder keine ordnungsgemäße Dokumentation vorhalten. Zudem sollten Grundeigentümer gesetzlich dazu verpflichtet werden, Auskunft darüber zu geben, welche Netzbetreiber auf ihrem Grundstück Leitungen verlegt haben. Eine Unvollständigkeit einer solchen Auskunft darf dann nicht zu Lasten des ausführenden Bauunternehmens gehen. Für die Qualität von Leitungsauskünften sollten verbindliche Anforderungen gelten. Die Initiative von Minister Olaf Lies zur Einführung eines bundesweiten Leitungskatasters begrüße ich vor diesem Hintergrund ausdrücklich. Wir müssen alles tun, um unsere vorhandene Infrastruktur zu schützen.

Um die Klimaschutzziele zu erreichen ist eine Umstellung der Energieerzeugung auf regenerative Quellen erforderlich, die in Deutschland bereits seit einigen Jahren in vollem Gange ist. Eine erfolgreiche Umsetzung ist nur mit erheblichen Bauinvestitionen möglich. Wo sehen Sie die größten Potenziale für die Bauindustrie in den nächsten Jahren bzw. Jahrzehnten?

Die Energiewende löst Bauaufgaben in allen Bereichen und nicht etwa nur im Wohnungsbau aus. Ich möchte hier beispielhaft zwei Bereiche herausgreifen, die in der öffentlichen Diskussion weniger im Fokus stehen, aber von großer Bedeutung für das Thema Energiewende sind. Das Rückgrat der Energiewende sind die Verteilnetze. Der wachsende Anteil an erneuerbaren Energien stellt das Netz vor große Herausforderungen. Die Stromerzeugung hat sich in Deutschland bereits räumlich stark verlagert, wodurch zusätzliche Übertragungs- und Verteilungskapazitäten notwendig werden. Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien werden Stromerzeugung und -verbrauch auch in Zukunft immer mehr auseinanderfallen. Um den größer werdenden Anteil erneuerbaren Energien in das System integrieren zu können, muss die Netzinfrastruktur daher auf allen Spannungsebenen angepasst werden. Dieses Ziel lässt sich nur mit erheblichen Bauinvestitionen in die Verteilnetze erreichen. Niedersachsen produziert mit einer installierten Leistung von 12,54 Gigawatt mehr Strom aus Onshore-Windenergie als jedes andere Bundesland in Deutschland. Um bis 2040 klimaneutral zu werden, ist aber der weitere schnelle Ausbau der Windenergie erforderlich. Dies geht aber nur mit einer intakten Straßenverkehrsinfrastruktur, da Bauteile und Material auf die Baustellen kommen müssen. Insbesondere marode Brücken gefährden indes die Energiewende.

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